Erinnerung an die Option 1939

Ansprache von Kulturreferent Sepp Kaser

Liebe Lüsner Landsleute,

etwas ungewohnt, heute die Schießeröffnung hier in der Gosse vorzunehmen, und zwar neben diesen Koffer mit den Texten über die Option, die ihr sicher scon in diesen Tagen gelesen  und mit bedacht betrachtet habt.

Option 1939- Bleiben oder Gehen: der Grundstein wurde schon mit dem Friedensvertrg von St. Germain vor 100 Jahren 1919 mit der teilung Tirols gelegt. die Situation verschlechterte sich dann noch zusehends durch die Machtergreifung des Faschismus, der aus Südtirol eine rein italienische Provinz machen wollte, indem er zunächst die deutsche Sprache in den Schulen und öffentlichen Ämtern verbot und dann viele italienische arbeiter ins Land schickte. Da dies aber alles noch zu wenig war, schritt man zur dritten Stufe, zur Umsiedlung.

Am 23. Juni 1939 schlossen Hitler und Mussolini das sogenannte Optionsabkommen, das hieß, wer deutsch bleiben wollte, musste ins Deutsche Reich abwandern, den anderen drohte man , sie nach Italien, zumindest südlich des Po, zu versetzen. Südtirol wäre sprachlich und kulturell zum Tode verurteilt gewesen.

Die LEute mussten sich bis zum 31.12.1939 entscheiden – Gehen- das Bleiben war damals nicht so sicher. Nur der Geistlichkeit gewährte man Aufschub bis zum 30. Juni 1940.

Nun setzte eine furchtbare Propaganda ein. Auf der einen Seite rief der geheime Andreas Hofer Bund mit Kanonikus Michael Gamper und Hans Egartner, um nur einige zu nennen, zum Dbleiben auf, – auf der anderen seite propagierte der Völkische Kampfring Südtirols, VKS, mit aller kraft und mit mehr Mitteln das Auswandern.

Aufgrund der vorher unter den faschisten erlittenen Schikanen und auch der wirtschaftlich sehr schlechten Lage der 30er Jahre glaubte man leider dem VKS mehr als den anderen.

Wir gehen in jenes Gebiet, wo wir zumindest deutsch sprechen können, war die allgemeine Gesinnung. Hatte jemand eine Staatstelle und optierte für Deutschland, wurde er auf der Stelle entlassen. Oder umgekehrt , Italienischwähler wurden von deutschgesinnten Arbeitgebern entlassen.

Diese große Abstimmung für das Deutsche Reich wurde vielfach aus sprachlich manipuliert.

Ein Beispiel: Die vorgelegten Texte fürs Deutsche Reich waren auf Deutsch geschriebenund den Verbleib in der Heimat , bzw. für Italien nur auf Italienisch. Man bedenke, dass da,als viele Leute hier in Lüsen kaum italienisch lesen konnten und nur selten brixen kamen, – sich deshalb für den deutschen Text entschieden,- obwohl es keine Hitleranhänger waren – und eigentlich nicht weggehen wollten. Auch die Sprache wollte man nicht verleugnen.

Die lüsner Bauern und Grundbesitzer sagten:” Wählen tui i deutsch und bleiben tui i dou”. Für verheiratete Frauen stimmte der Ehemann und für die unmündigen Kinder der Vater ab.

Am 2. Jänner 1940 wurde bekannt, dass 96% der Lüsner für Deutschland optiert hatten. Das waren 1220 Personen fürs Deutsche Reich und nur 38 für Italien. viele hofften insgeheim, doch dazubleiben zu können.

Mein Großvater erzählte, dass 6 Familien sich für den Verbleib bei Italien entschieden hatten. Man zeigte auf diese Leute, und keiner setzte sich im Kirchenstuhl zu ihnen. Mit ” Buon giorno” wurden sie spöttisch begrüßt, die größte Beleidigung damals. Auch erzählte er, er wollte Erde gratteln und bat einen bekannten Bauern( einen Nachbarn), um ein Stück Seil zur Verlängerung. Die Antwort war:” Auf keinen Fall. ich schneide dir noch das Deine ab, wenn du für den Walschn – Erde grattlst!” – gemeint war der zukünftige Besitzer.

Die zum Auswandern bereiten Bauern sagten sich, ich repariere nichts mehr am Hof, wenn er in walsche Hände gerät. Mein Großvater sagte auch, es war eine Zeit, in der man niemandem etwas glauben konnte!

Pfarrer Eduard Mair unter der Eggen war sehr vorsichtig, wenn ihn die Leute um rat fragten, obwohl er ein Dableiber war. So waren auch die Lüsner Geistlichen Josef Gargitte oder Kanonikus Georg KAser fürs Dableiben, aber öffnetlich durften sie nicht Stellung nehmen.

Die Heimkehrer des Ersten Weltkrieges sagten, sie hätten nirgends einen Platz gesehen, wo man die Südtiroler hätte hinbringen können, ohne andere zu vertreiben, was im Sudentenland passiert ist.

1940 begann dann das Auswandern. Eher war es die Arbeiterschicht, die abwanderte, für die hier weder Arbeit und schon gar nicht eine Staatstelle zu bekommen war. Nicht zu vergessen sind jene Personen aus Lüsen, die geistig oder körberlich beeinträchtigt waren, die nach Hall überführt wurden und teilweise der Euthanasie zum Opfer fielen.

Liebe Landsleute und Schützenkameraden

man sieht was eine Diktatur und eine fanatische Propaganda , wie damals war, alles anrichten können.Nicht vergessen dürfen wir, dass die Geistlichkeit in Südtirol zu 80% für den Verbleib in der Heimat gestimmt hat, auch führende Unternehmer in Südtirol, die dann am Ende des Weltkrieges 1945 politisch tätig wurden, und von den Amerikanern und Italienern anerkannt wurden. Sie gründeten die Südtiroler Volkpartei, um das Deutschtum weiterhin zu sichern.

Wir Schützen wollen mit der Aktion Koffer, VomSSB ausgehend, mit den Texten,-hier – sowie dem heurigen Herbstschiessen und der Medaille mit der Aufschrift: ” Auf Befehl zweier Diktatoren – Optin 1939″ auf dieses Ereignis hinweisen.

Im März wird dann nochmals ErnstDelmonego in einem Vortrag an jene schreckliche Zeit erinnern. Uns Heutigen steht es jedenfalls in keiner Weise zu, jene Leute zu verurteilen, egal wofür sie stimmten, sondern wir sollen daran denken, wie wertvoll es ist, dass wir in Frieden leben können.

Vergessen wir darum jene schreckliche Zeit nicht, die für Südtirol die schlimmste in seiner Geschichte war.

Auch für Lüsen mit  den 215 Abgewanderten, ein enormer Schaden, der Streitigkeiten und großes Leid  in die Familien und die Gemeinde brachte. Viele Abgewanderten haben dies ein Leben lang bereut, und viele sind fern der Heimat auch verstorben. Im Gedenken an diese fern der Heimat Verstorbenen wird am Schluss eine Ehrensalve abgefeuert.

Da ich hier nicht länger werden möchte, so möchte ich euch ersuchen, besucht die Ausstellung im ” Goldenen Adler” in Brixen, oder noch besser, schaut wieder einmal ins Lüsner Dorfbuch von 1988 oder lest den Text in diesem Ladschreiben zum heurigen Schießen.

In diesem Sinne achten wir darauf, dass es nie wieder zu blindem Fanatismus kommt, wo Propaganda und Diktatoren das Sagen haben.

Dieser Koffer mit den Begleittexten soll das Leid der unseligen Option veranschaulichen und uns alle mahnen, weiterhin auf unsere Heimat mit deren Sprache, Kultur und christlichen Werten zu schauen und sie nicht aufzugeben.

Schützen Heil

Kulurrefrent Sepp Kaser

Freischießen Weger Ladschreiben